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Zwei Säulen, ein Haus

Das duale Rundfunksystem in Deutschland

Dass wir jederzeit das Radio einschalten und aus einer Vielzahl an Programmen und Sendungen wählen können, ist heute selbstverständlich. Doch das war nicht immer so: Nach dem Missbrauch des Rundfunks unter den Nationalsozialisten und der Gründung öffentlicher Rundfunkanstalten nach dem zweiten Weltkrieg dauerte es fast weitere 40 Jahre bis schließlich das duale Rundfunksystem in Deutschland etabliert wurde. Doch was ist das duale Rundfunksystem und was hat es mit der Pressefreiheit in Deutschland zu tun?

Das duale Rundfunksystem
Wie schon der Begriff „dual“ vermuten lässt, basiert das duale Rundfunksystem auf zwei Säulen: Den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunkanbietern. Beide Seiten stellen unabhängig voneinander Radio- und Fernsehprogramme zur Verfügung und ergänzen sich dabei gegenseitig. Während die privaten Sender als Unternehmen agieren und vor allem wirtschaftliche Ziele verfolgen, finanzieren sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten über den Rundfunkbeitrag und haben den gesetzlichen Auftrag, ein vielseitiges Programm aus Informationen, Unterhaltung und Kultur bereitzustellen. Dass öffentlich-rechtliche und private Sender um Anteile auf dem Radiomarkt konkurrieren, trägt zur Vielfalt der angebotenen Inhalte bei und treibt die Entwicklung des Programms weiter voran.
Die Zweiteilung des deutschen Radiomarkts ist dabei vergleichsweise neu. Bevor die ersten privaten Radioprogramme im Jahr 1984 auf Sendung gingen, gab es in der Bundesrepublik nur öffentlich-rechtliches Radio. Erst als das Bundesverfassungsgericht zu Beginn der 80er-Jahre urteilte, dass das Monopol öffentlich-rechtlicher Anstalten aufgehoben werden müsse, wurde der Markt für private Anbieter geöffnet. Der erste private Radiosender „Radio Weinstraße“ nahm seinen Betrieb daraufhin am 1. Januar 1984 in Ludwigshafen auf. Heute gibt es in Deutschland insgesamt über 300 verschiedene Radioprogramme, 250 davon von privaten Anbietern.

Blick in die Geschichte: Die Ursprünge des dualen Rundfunksystems
Wie wichtig Vielfalt und Unabhängigkeit in der journalistischen Berichterstattung ist, zeigt ein Blick in die deutsche Geschichte: Seit der Machtübernahme im Jahr 1933 missbrauchten die Nationalsozialisten den sogenannten „Staatsfunk“ als Propagandamaschine, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Bald stand der Rundfunk vollkommen unter der Kontrolle der nationalsozialistischen Regierung, wie Propagandaminister Joseph Goebbels bereits kurz nach der Machtergreifung öffentlich verkündete: „Die Macht haben wir nun in Deutschland gewonnen, nun gilt es, das deutsche Volk zu gewinnen. Der Rundfunk gehört uns! Niemandem sonst.“ Nach dem Prinzip der Gleichschaltung wurden sowohl das Programm als auch die Mitarbeitenden der Rundfunkanstalten strengstens überwacht, sodass eine unabhängige und kritische Berichterstattung unmöglich wurde. Die Pressefreit war in Deutschland damit abgeschafft und der Rundfunk diente nur noch der Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie.

Nachdem die Siegermächte die nationalsozialistische Herrschaft beendet hatten, stand deshalb fest, dass der Rundfunk nie wieder unter staatliche Kontrolle gelangen dürfe. Deshalb gründeten die Alliierten nach Vorbild der britischen BBC öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik, aus denen im Jahr 1950 die ARD als „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“ hervorging. Die Bestrebung, ein staatsfernes Rundfunksystem in Deutschland zu etablieren, war dabei allerdings nur ein westdeutsches Anliegen: In der DDR wurde ausschließlich der staatliche Hörfunk der SED gesendet, der erneut als Staatsfunk im Dienste der Partei fungierte.
Dass es in Westdeutschland bis zu Beginn der 80er-Jahre nur öffentlich-rechtliche Programme gab, lag auch in der Sorge begründet, dass die privaten Rundfunkanbieter sich aus kommerziellem Interesse nur auf populäre Inhalte konzentrieren würden. So wäre nicht sichergestellt, dass die Bürger*innen mit einem ausgewogenen Programm versorgt und über relevante Themen ausreichend informiert werden. Aus diesem Grund ist der private Rundfunk bis heute nur als ergänzendes Angebot zu den öffentlich-rechtlichen Programmen zugelassen, die die sogenannte „Grundversorgung“ der Bevölkerung erfüllen müssen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk 
Mit „Grundversorgung“ ist dabei keine Minimalversorgung gemeint: Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind vielmehr dazu verpflichtet, der Allgemeinheit ein umfassendes Programm an Informationen, Bildung, Unterhaltung und Kultur anzubieten. Durch eine umfangreiche Berichterstattung und die kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Geschehnissen sollen die Bürger*innen in ihrer politischen Meinungsbildung unterstützt werden. Darüber hinaus soll das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender möglichst vielseitig sein und eine große Bandbreite an Interessen abdecken. Bei den Programmen des Deutschlandradios zeigt sich das beispielsweise an der Musikauswahl: So werden nicht nur die aktuellen Pop-Charts gespielt, sondern auch Sendezeiten für Jazz, Klassik und experimentelle Musik vergeben.

Um ihrem öffentlichen Auftrag nachzukommen und einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, müssen die öffentlich-rechtlichen Anstalten unabhängig von wirtschaftlichen Interessen Inhalte produzieren können. Sichergestellt wird das durch den Rundfunkbeitrag, der von jedem Haushalt in Deutschland erhoben wird. Dass die Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht aus dem Staatshaushalt finanziert werden, schützt sie auch vor politischer Einflussnahme, da die Finanzierung der Sender nicht in den Händen politischer Mehrheiten liegt. Der Vorwurf, dass es sich bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten um „Staatsfunk“ handle, der wie zu Zeiten des Nationalsozialismus unter Kontrolle der Politik stünde, ist damit schlichtweg falsch. Als „Anstalten des öffentlichen Rechts“ verwalten sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten selbst und sind nicht Eigentum des Staates.
Dass Rundfunk in Deutschland Ländersache ist, soll die Vielfalt der öffentlich-rechtlichen Programme dabei zusätzlich stärken.
Neben dem bundesweit geteilten Programm von ARD, ZDF und Deutschlandradio bieten insgesamt neun Landesrundfunkanstalten verschiedene Programme an, die nur regional empfangen werden können.

 

Mehr Vielfalt mit DAB+
Die Einführung des DAB+ Radiostandards im Jahr 2011 ebnete den Weg für noch mehr Vielfalt in der deutschen Radiolandschaft: Da mithilfe von DAB+ mehrere Programme auf einem Frequenzblock verbreitet werden können, steht den Hörer*innen insgesamt eine größere Palette an Programmen zur Verfügung. So können diverse Spartenprogramme angeboten und neue Sender in Betrieb genommen werden, die die Bandbreite an Genres und Formaten noch einmal vergrößern. Auf Bundesebene können bereits 28 Sender über DAB+ empfangen werden, hinzu kommen die Programme der lokalen Rundfunkanbieter.